Rückblick 8. Mandala Geburtstag

Galerie: Manege frei!

Zirkus und Bouldern: Was hat das miteinander zu tun?

Der Zirkus zieht das Publikum mit Menschen in seinen Bann, die mit hochspezialisierten körperlichen sowie mentalen Fähigkeiten „Unmögliches“ möglich zu machen scheinen. Artistische Darbietungen, wie Trapez, Hochseil, Trampolin, Jonglage, menschliche Pyramiden oder Vertikaltuch, erfordern das höchste Maß an Fokus und geduldigem, diszipliniertem, jahrelangem Training, um sowohl geistig, als auch körperlich in der Lage zu sein, die extrem anspruchsvollen Darbietungen umsetzen zu können. Es wird ein Maximum an Körperkontrolle, Verständnis für Koordination und die eigenen Fähigkeiten, Körperspannung, mentale Konsistenz und schließlich auch Kraft benötigt, um die akrobatischen Höchstleistungen jederzeit abrufen zu können.

Sportler*innen, die auf Weltklasseniveau bouldern wollen, benötigen genau dasselbe. Bouldern fragt, vor allem in höheren Schwierigkeitsgraden, viel mehr ab, als Muskelkraft. Athlet*innen müssen in der Lage sein, komplexeste Bewegungen zu koordinieren und umzusetzen und extrem schnell zu reagieren. Dafür benötigen sie ein sehr detailliertes Verständnis für Ihren Körper. Ein kontinuierliches und diszipliniertes Training ist sowohl für den Kraftaufbau, als auch für die Körperkontrolle und den mentalen Fokus absolut unumgänglich, um die notwendigen Bewegungen jederzeit abrufen zu können und zu automatisieren.

Egal, ob wir auf Weltklasse- oder auf ambitioniertem Freizeitniveau bouldern oder Zirkusakrobatik praktizieren wollen: aus sportwissenschaftlicher Sicht macht es keinen Unterschied, wenn wir uns die drei Phasen des motorischen Lernens anschauen.

Die drei Phasen des motorischen Lernprozesses dauern je nach Art, Intensität und Fokus des Trainings sowie den körperlichen Grundvoraussetzungen der Sportler*innen unterschiedlich lang.

In Phase 1 der „Grobkoordination“ wird der Grundablauf der Bewegung erlernt. Sportler*innen erwerben eine grobe Vorstellung des Bewegungsablaufes und lernen, die Bewegungsaufgabe gedanklich zu erfassen. In ersten Versuchen der Umsetzung und mithilfe von Übungsreihen wird versucht, die Bewegung zu realisieren. Die Bewegungen sind noch nicht automatisiert und damit noch nicht stabil.

In Phase 2 der „Feinkoordination“ lernt die trainierende Person, die Bewegung unter konstanten Bedingungen nahezu fehlerfrei auszuführen und die Bewegungsabläufe zu verinnerlichen und zu verfeinern. Das motorische Gedächtnis wird gleich dem Körper trainiert.

Die Phase 3 umfasst den Lernverlauf, bei dem die Lernenden vorerst unter konstanten, später aber auch unter variablen bzw. schwierigen Bedingungen die Bewegung sicher und erfolgreich durchführen können. Die Bewegungen werden präzise. Ein detailliertes Bewegungsprogramm kann jederzeit abgerufen werden. Potentielle Schwierigkeiten werden bereits im Voraus eingeplant oder es kann situativ darauf reagiert werden. Die Bewegung läuft also weitgehend automatisiert ab.

In diesem Sinne ist die Zirkusakrobatik dem Bouldern gleich. Beides bedarf maximaler Leidenschaft sowie Bereitschaft und Disziplin für konsistentes, zielgerichtetes, hartes Training. Ein Anfänger kann sich nur weiterentwickeln, wenn er ein Verständnis für seine sportlichen Schwächen und individuellen Schwierigkeiten entwickelt und beginnt effektiv und ausdauernd daran zu arbeiten. Genauso bleibt ein durchschnittlicher Artist oder Boulderer semiprofessionell, wenn er nicht in der Lage ist zu lernen, auf Unerwartetes schnell und präzise zu reagieren.